Gärtnern ohne Garten

Gärtnern als rebellischer Akt 🧑🏿‍🌾✊👩‍🌾

Man muss nicht zwangsläufig einen eigenen Garten haben, um zu gärtnern. Es gibt eine Menge andere Möglichkeiten sich gärtnerisch zu betätigen. Hierzu wollen wir uns heute das Guerilla Gardening, das Urban Gardening und das Urban Farming genauer angucken.

Guerilla Gardening

Guerilla Gardening ist eine politische Bewegung, die bereits in den 1970er Jahren in New York City begann. In dieser Zeit gab es verschiedene Aktionen von Künstlern wie z.B. Joseph Beuys, die wildes Grün in die Städte bringen sollten. Richtig bekannt wurde die Bewegung aber erst im Jahr 2000, als in London verschiedene Aktivist*innen den Parliament Square umgruben und dort verschiedenen Blumen pflanzten. 

In der Kritik steht beim Guerilla Gardening die zunehmende biologische Verarmung der Innenstädte. Durch flächendeckende Bebauung und Verdichtung sämtlicher Böden ist in Innenstädten kaum biologische Vielfalt anzutreffen. Außerdem werden Innenstädte zunehmend zu Heizkesseln, da es an grünen Oasen fehlt, die Luftzirkulation und Verdunstungskälte bringen. Außerdem gilt das Guerilla Gardening als eine Form der Rückeroberung des öffentlichen Raumes. Daraus entwickelten sich in der Vergangenheit auch noch weitere Bewegungen, die wir aber an anderer Stelle beleuchten werden.

Die Waffen des Guerilla Gardeners

„Waffe“ ist natürlich ein starkes Wort, aber guerilla heißt ja übersetzt „kleiner Krieg“, deswegen übernehmen wir diese Rhetorik an dieser Stelle mal. Die am häufigsten gewählte Methode, um Innenstädte unfreiwillig zu begrünen, ist die Seedbomb. Diese Samenbomben bestehen aus einer Basis aus Lehm, Sand und Saatgut von möglichst einheimischen Wildpflanzen. Die Dinger könnt ihr auch ganz einfach selber nachbauen und in eurer Stadt verteilen. Es ist sehr wichtig, dass ihr dabei einheimisches Saatgut z.B. von Brennessel, Löwenzahn, Ringelblume, Tagetes oder Mohn verwendet. Ihr könnt auch eine fertige Saatgutmischung kaufen, achtet aber dabei darauf, dass es eine Insektenmischung ist, die auf heimische Insekten abgestimmt ist. Es gibt nämlich Pflanzen, die sich invasiv verbreiten und heimische Arten verdrängen und das wollen wir vermeiden. Exotische Blumen haben auch wenig Wert für unsere heimische Insektenwelt.

Rezept für Saatbomben

Fünf Teile Tonerde 

Drei Teile Gartenerde 

Ein Teil Saatgut

Ein Teil Wasser

Ein weiteres Werkzeug (oder eine weitere Waffe) ist das Moos Graffiti. Hierbei wird Moos mit Bier, Joghurt oder Buttermilch gemixt und dann mit einem Pinsel an eine schattige Mauer aufgetragen. Wenn man das Ganze regelmäßig mit Wasser besprüht oder an eine Stelle malt, an der häufig Niederschlag anfällt, wächst dort sehr bald eine schöne Moosschicht.

Legal oder nicht?

Leider nein, leider gar nicht. Die Rhetorik lässt es fast schon vermuten, Guerilla Gardening ist nicht legal. Um öffentliche Flächen zu bepflanzen, braucht man in Deutschland natürlich eine Genehmigung. Wenn man erst zur Gemeinde latscht und nach einer Genehmigung fragt, verflüchtigt sich natürlich der ganze Reiz, nachts heimlich Saatbomben in der ganzen Stadt zu verteilen. Hier lässt sich aber gut die Brücke zum Urban Gardening schlagen!

Urban Gardening

Jeder von euch, der mal eine größere Stadt besucht hat, hat wahrscheinlich schon eine kreativ eingezäunte Baumscheibe mit hübschen Blumen oder sogar Tomaten gesehen. Das Stadtgärtnern fängt nämlich vor der eigenen Tür oder auf dem Balkon an und hört in Community Gärten noch lange nicht auf. Hier vereinen sich die Wünsche nach grüneren Innenstädten, lokalen Lebensmitteln und einer positiveren Klimabilanz. In einigen Ländern hilft das Gärtnern in der Stadt sogar bei der Armutsbekämpfung, weil den Menschen dadurch ein Stück Selbstversorgung gegeben wird. 

Wenn ihr unter die Stadtgärtner*innen gehen wollt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In Großstädten gibt es oft Vereine, die Community Gärten mit unterschiedlichen Profilen betreiben. Diese können euch oft auch weiterhelfen, wenn es um die Bepflanzung der Baumscheibe vor eurem Haus geht. Denn auch hier muss man fragen, ob man die Fläche bepflanzen darf. Ihr könnt euch natürlich auch direkt an die Gemeinde (Grünflächenamt) wenden und nach Flächen fragen, die ihr benutzen dürft. Oft ist in den Kommunen nicht viel Geld für Stadtbegrünung eingestellt und man freut sich über Angebote engagierter Bürger*innen. Ihr könnt auch über die bekannten Naturschutzverbände gehen und dort nach Interessensgruppen fragen. Wenn ihr in einem privat vermieteten Haus wohnt, könnt ihr natürlich auch einfach eine Erlaubnis bei den Eigentümer*innen einholen und direkt vor der Haustür loslegen. In unserer Gegend ist die Schrebergartendichte sehr hoch und wir können in der Stadt im eigenen Garten werkeln.

Besondere Herausforderungen

Gerade wenn man vor der Haustür gärtnert, hat man eine ganze Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Man benötigt Erde, Gefäße und eine Wasserversorgung. Viele Stadtgärten sind außerdem nicht für die Ewigkeit ausgelegt, da Brachflächen oft nur bis zur nächsten Bebauung zur Verfügung stehen. Wenn ihr es also wagen wollt, solltet ihr eine gewisse Frustrationstoleranz mitbringen, denn auch Vandalismus und die Umweltbedingungen können zum Problem werden.

Erde

Erde in Massen aus dem Baumarkt zu holen, ist wohl die schlechteste Option. Wenn ihr sowieso schon mit der Gemeinde in Kontakt seid, könnt ihr dort direkt fragen, ob ihr eine Ladung aus der Kompostieranlage vor die Tür geliefert bekommt. Frech kommt weiter, ist die Devise. Hin und wieder wird auch Mutterboden über Kleinanzeigen verschenkt. Ihr könnt natürlich auch selber in die Kompostieranlage fahren und dort ein paar Maurerkübel voll machen. Wenn ihr erstmal klein anfangt, reicht natürlich auch ein Sack Gartenerde aus dem Baummarkt. Ihr könnt auch mal durch eine Gartenanlage schlendern und schauen ob jemand einen Teich oder Pool aushebt. 

Gefäße

Im Urban Gardening ist eigentlich fast alles erlaubt. Am besten nehmt ihr Gefäße, die schon ein Leben hinter sich haben. Ihr könnt alte Konservendosen, Paletten, Eimer, Maurerkübel oder Kaffeesäcke verwenden. Bei uns steht in einer Straße ein bepflanzter Einkaufswagen (war sicher mit den ursprünglichen Besitzer*innen abgesprochen). Wichtig ist, dass ihr es ertragen könnt, wenn etwas kaputt geht. Es gibt komische Menschen, die scheinbar eine geringe Toleranz für so etwas haben und eure Stadtgärten zerstören wollen.

Wasser

Die Wasserversorgung eurer Schützlinge ist wohl die größte Herausforderung. Im besten Fall dürft ihr an irgendein Fallrohr eine Regentonne anschließen. Ihr könnt euch auch an automatische Bewässerung heranwagen. Am einfachsten sind umgedrehte Plastikflaschen mit Loch im Deckel. Man kann aber auch z.B. zwei Eimer ineinanderstecken, wobei der untere Eimer ein Wasserreservoir vorhält und mit Baumwollfetzen über Löcher im Boden des anderen Eimers (inklusive Erde und Pflanze) verbunden wird. Ein paar Ideen zur Bewässerung findet ihr auch in unserem Blogartikel Wasser marsch! 

Das ist natürlich nur ein kleiner Abriss zum Urban Gardening. Wenn ihr konkrete Handlungsoptionen wollt, empfehle ich euch das Buch “Stadtgrün statt grau” von Wiebke Jünger (ich markiere das hier mal als Werbung, obwohl ich weder beauftragt noch bezahlt wurde).

Urban Farming

Last but not least ein paar Worte zum Urban Farming. Hier geht’s schon eher in eine kommerzielle Richtung. Ganze Dächer und Parkhäuser werden so genutzt, dass ein wirtschaftlicher Ertrag erzielt werden kann. Ziel ist es, die Stadtbevölkerung biologisch, nachhaltig und lokal mit Lebensmitteln zu versorgen. Hydroponik und Aquaponik werden für diese Form der Landwirtschaft gern genutzt. Das sind an sich schon so spannende Themen, dass wir das an dieser Stelle nicht in der nötigen Tiefe ausführen können. Im Gegensatz zum Urban Gardening geht es beim Urban Farming um wesentlich größere Dimensionen. Auch (Klein-)Tierhaltung ist bei dieser Form der Landwirtschaft nicht ausgeschlossen. 

Wir hoffen, dass ihr Lust habt in der Stadt zu gärtnern, denn ihr könnt damit einen tollen Beitrag zum Klima, der Biodiversität, der nachhaltigen Ernährung und der Müllvermeidung leisten. Außerdem macht ihr eure Umgebung lebenswerter und könnt auch noch nette Menschen dabei kennenlernen. 

Quellen:

Wiebke Jünger; 2015; Stadtgrün statt grau: 61 DIY-Projekte fürs Urban Gardening; Ulmer Verlag Stuttgart

https://de.wikipedia.org/wiki/Urbane_Landwirtschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Guerilla_Gardening
https://de.wikipedia.org/wiki/Samenbombe
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