Jetzt wird’s wild!

Wildpflanzen bestimmen und sammeln

Arnikasalbe auf die schmerzenden Gelenke, einen Hopfentee zum runterkommen oder etwas Baldrian zum einschlafen. Das alles gibt’s in der Drogerie oder in der Apotheke und ihr habt sicherlich irgendwas davon zu Hause. Wenn wir Dragees kauen und Salben auf unsere Wunden auftragen, ist uns aber oft gar nicht so richtig bewusst, dass da geballte Natur drin steckt und wir uns eigentlich den Weg über die Apotheke sparen könnten. Viele dieser Wundermittel finden wir vor unserer Haustür, im Garten oder beim Waldspaziergang und sie sind auch noch völlig kostenlos. Ihr ahnt es vielleicht, wir beschäftigen uns heute mal mit Wildkräutern und -pflanzen, die wir für unser Wohlbefinden nutzen können.

❗❗❗Disclaimer: Verwendet grundsätzlich nur Pflanzen, die ihr zweifelsfrei bestimmen könnt. Dosiert zunächst sehr schwach, um Allergien und Unverträglichkeiten auszuschließen. Seid euch bewusst, dass auch natürliche Heilmittel überdosiert werden können oder Nebenwirkungen haben. Verwendet sie nie über einen zu langen Zeitraum und sucht bei anhaltenden Symptomen unbedingt einen Arzt auf!❗❗❗

Pflanzen bestimmen

Ich erinnere mich noch ganz gut an die zwei Stunden Biounterricht, in denen unsere Lehrerin versucht hat, uns das Pflanzenbestimmen mit einem Buch ohne Bilder beizubringen. Didaktisch äußerst grausam, denn wir saßen im Klassenzimmer und bekamen jeder einen Stängel Labkraut, den wir dann anhand seiner äußeren Tribute erkennen sollten. Inzwischen bin ich auf eine Kombination aus Bestimmungs-App und Bestimmungsbuch (natürlich mit Bildern) umgestiegen. Ich gehe so vor: Ich knipse mit dem Smartphone ein Foto und jage es durch die App (Plantnet), die gibt dann schonmal ein paar Vorschläge. Dann schlage ich im Bestimmungsbuch nach, ob es die richtige Pflanze sein kann und achte dabei auf Standort, Blütezeit und Region. Wenn alles zusammenpasst, stimmts vermutlich auch. Wenn ich immer noch nicht sicher bin, ziehe ich andere Bestimmungsbücher zu Rate oder suche nach Pflanzen, die ähnlich aussehen, um Verwechslungen auszuschließen. Wenn ihr auf dem Gebiet noch absolute Neulinge seid, empfehle ich euch eine Kräuter- oder Wildpflanzenwanderung mit einem erfahrenen Guide. Außerdem hat Youtube da auch eine ganze Menge zu bieten, wenn man mal nach “Wildpflanzen bestimmen” sucht.

Pflanzen sammeln

Zum Sammeln braucht man keine spezielle Ausrüstung, ein Messer, ein Körbchen und vielleicht ein paar Handschuhe und schon könnt ihr wie Miraculix loslegen. 

Es gibt trotzdem ein paar Dinge zu beachten: 

  • Die geltenden Naturschutzgesetze müssen eingehalten werden. Sammelt also keine Pflanzen, die vom Aussterben bedroht sind oder die in Naturschutzgebieten stehen.
  • Vermeidet es, Einzelexemplare zu ernten, um die Vermehrung der Pflanze nicht zu gefährden.
  • Achtet darauf, Tiere nicht zu stören und haltet euch an die “leave-no-trace”-Regel.
  • Erntet nur so viel, wie ihr auch braucht.
  • Nehmt nur Pflanzen mit, die ihr eindeutig identifiziert habt.

Achtung giftig!

⚠

Viele essbare Wildpflanzen haben giftige Doppelgänger. Oft blühen diese aber nicht gleichzeitig oder haben andere Früchte. Maiglöckchen und Bärlauch sind so ein Fall. Sie ähneln sich, blühen aber nacheinander. Im Zweifelsfall solltet ihr die Pflanzen natürlich stehen lassen, aber was tun, wenn’s schon zu spät ist?

Wenn ihr Übelkeit, Brennen im Rachen, Schwindel oder Erbrechen feststellt, ruft den Notarzt oder wählt den Giftnotruf (die Nummern sind in den Bundesländern unterschiedlich). Bis der Arzt kommt, könnt ihr folgendes tun:

  • Ruhe bewahren, Panik vermeiden
  • viel Wasser oder Tee trinken, um Gift zu verdünnen
  • keine fetthaltigen Getränke oder Alkohol trinken
  • Erbrechen auslösen (Finger in den Hals)
  • nach dem Erbrechen medizinische Kohle mit Wasser verdünnt einnehmen (gibt’s in der Apotheke) 

Auf in den Wald oder auf die Wiese!

Wenn ihr jetzt noch nicht abgeschreckt seid, schnappt euch euer Sammelkörbchen und sucht euch einen Ort, an dem ihr eine große Vielfalt an Pflanzen vorfindet. Natürlich kann man auch im Park um die Ecke Wildpflanzen sammeln, allerdings verrichten Pfiffi und co. dort oft ihr Geschäft und auch der Straßenverkehr schlägt sich auf die Pflanzen nieder. Wenn ihr könnt, fahrt ein Stückchen raus aus der Stadt. Fangt mit Pflanzen an, die ihr schon kennt oder die sich wirklich zweifelsfrei bestimmen lassen.

Brennnessel

Die kennt wohl jeder und falls ihr euch beim Bestimmen nicht sicher seid, streichelt sie doch einfach mal. Die Brennnessel ist auf jeden Fall eine absolute Superpflanze, die sich auf unglaublich viele Arten verwenden lässt.

Sammelzeit: junge Blätter März/April, Samen ab September

Inhaltsstoffe: Vitamin C, Vitamin A, Eisen, Kalium, Magnesium

Medizinische Verwendung: Stoffwechselprobleme, Harnwegserkrankungen, rheumatische Beschwerden, Prostataerkrankungen

Wirkung: blutreinigend, harntreibend, entzündungshemmend, schmerzlindernd

Anwendung: Tee, Tinktur, Bäder, Umschläge

Weitere Verwendung: kann zubereitet werden wie Spinat; Stängel sind bastartig und eignen sich zum Herstellen von Schnüren und Seilen; im Garten als Brennnesseljauche zum Düngen; Haarspülung gegen Haarausfall

Spitzwegerich

Der Kumpel am Wegesrand kann maximal mit Artverwandten verwechselt werden, die aber alle gleich verwendet werden können. Manche kennen ihn vielleicht noch aus der Kindheit, denn man kann ihn super bei Mückenstichen verwenden.

Sammelzeit: ganzjährig

Inhaltsstoffe: Kalium, Öle, Schleimstoffe, Vitamin C, Vitamin B, Zink, Kieselsäure, Glykoside

Medizinische Verwendung: Erkältung, Entzündungen in Mund- und Rachenraum, entzündliche Veränderungen der Haut (Mückenstich)

Wirkung: antibakteriell, entzündungshemmend, schleimlösend

Anwendung: Tee, Umschläge, Tinktur, Bäder, Hustensirup, Wiesenpflaster

Weitere Verwendung: junge Blätter für Salat und Suppen; Knospen schmecken gedünstet wie Champignons;  

Löwenzahn

Pusteblume, Butterblume, Kuhblume…egal wie ihr ihn nennt, den Löwenzahn kennt vermutlich jedes Kind. Wegen seiner harntreibenden Wirkung wird er auch Bettnässer-Kraut genannt. Alle Teile dieser Pflanze sind essbar.

Sammelzeit: ganzjährig

Inhaltsstoffe: Zucker, Kalium, Bitterstoffe, Vitamin C, Inulin

Medizinische Verwendung: Nieren- und Blasenleiden, Magen- und Darmbeschwerde, Rheuma, Gicht, Leber- und Gallenleiden

Wirkung: blutbildend, harntreibend, blutreinigend, krampflösend

Anwendung: Tee, Umschläge, Bäder, Tinkturen, Salat

Weitere Verwendung: geröstete Wurzel als Kaffeeersatz

Holunder

Holunder war schon in der germanischen Mythologie ein echter Zauberbaum. Man konnte wohl mit einer magischen Formel seine Krankheiten auf den Baum übertragen. Außerdem soll er gegen über 40 Krankheiten wirken und wurde deswegen sehr oft als Hausbaum gepflanzt.

Sammelzeit: Blüten Mai/Juni, Beeren September/Oktober

Inhaltsstoffe: Vitamin C, Zucker, ätherische Öle, Kaliumsalze

Medizinische Verwendung: Erkältungen, Fieber

Wirkung: entzündungshemmend, schweißtreibend, krampflösend

Anwendung: Tee

Weitere Verwendung: Früchte können zu Gelee, Saft, Likör oder Essig verarbeitet werden (nicht roh verzehren!), Blüten für Gelee, Tees, Süßspeisen, Sirup (für Hugo)

Hopfen

Hopfen ist nicht nur zum Bierbrauen unerlässlich, er ist auch eine sehr wirkungsvolle Heilpflanze. Als Mitglied der Familie der Hanfgewächse, ist er sehr gut als Beruhigungstee geeignet.

Sammelzeit: ganzjährig

Inhaltsstoffe: Hopfenharz (Humulon, Lupolon), ätherische Öle

Medizinische Verwendung: Magenbeschwerden, Unruhe, Ängste, Schlafstörungen, Wechseljahresbeschwerden, Menstruationsbeschwerden

Wirkung: beruhigend, entzündungshemmend, schmerzlindernd

Anwendung: Tee, Tinktur, Umschläge, Bäder

Weitere Verwendung: junge Sprossen können wie Spargel gekocht werden

Wildpflanzen sammeln, ist ein Hobby, bei dem man sich nach und nach immer mehr Wissen aneignet und so werdet ihr schon nach einiger Zeit eine immer größere Vielfalt in eurem Sammelkörbchen haben. Nehmt euch die Zeit, die Pflanzen über das Jahr zu beobachten und lernt, wie sie sich in den einzelnen Jahreszeiten verändern. Lernt die Pflanzen nach und nach kennen und steckt euch erstmal kleine Ziele. Wenn ihr eine Pflanze pro Woche kennenlernt, reicht das doch schon völlig aus.*

*Quellen:

  • Bushcraft – Survivalwissen Wildpflanzen Europas; Lars Konarek
  • Geh raus! Deine Stadt ist essbar; smarticular.net
  • Unsere essbaren Wildpflanzen; Rudi Beiser

geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen...
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