Auf Waldfühlung mit Kindern

Naturerfahrung im Flow

Nichts hilft besser gegen die Frühjahrsmüdigkeit als ein ausgedehnter Spaziergang im Wald. Gerade jetzt, wo alles aus dem Winterschlaf erwacht und reges Treiben herrscht, ist so ein Ausflug besonders spannend. Um ihn auch für die Kleinsten zu einem tollen und einprägsamen Erlebnis zu machen, wollen wir euch heute ein paar Methoden verraten, um Spaß und Lernen zu verbinden.

Beziehung zur Natur

Vielleicht erinnert ihr euch an eure Schulzeit und daran, dass so manches Wissensgebiet überhaupt nicht in euren Kopf hinein wollte. Oder vielleicht geht es euch auch heute manchmal so, dass ihr zu bestimmten Themen einfach keinen Zugang findet. Das kann daran liegen, dass ihr keine persönliche Bindung zum Thema oder zu dem, der euch etwas darüber erzählen will, aufbauen könnt. Wenn wir also eine Generation erschaffen wollen, die sich für die Umwelt einsetzt, müssen wir ihr zuallererst eine Beziehung zur Natur ermöglichen und ihre Begeisterung und ihren Lernwillen wecken und fördern. Der beste Zeitpunkt dafür ist genau der, an dem ihr damit anfangt. Wir wollen heute zwar konkret auf Walderfahrung mit Kindern eingehen, vieles ist aber in abgewandelter Form ebenso mit Teenagern oder Erwachsenen möglich. Um Kindern eine sichere und schöne Lernerfahrung zu bieten, ist es wichtig, die intrinsische Motivation zu fördern, Überforderung zu vermeiden und einen geschützten Rahmen für die eigene Entwicklung zu bieten.

Flow Learning nach Joseph Cornell

Joseph Cornell ist einer der Pioniere auf dem Gebiet der Natur- und Erlebnispädagogik und hat aus seiner jahrelangen Erfahrung mit verschiedensten Gruppen das Flow Learning Konzept entwickelt. Es eignet sich meiner Meinung nach hervorragend Naturerlebnisse und Wissensvermittlung so zu verknüpfen, dass die Teilnehmer*innen dazu auch noch Spaß haben. Sein Konzept baut auf vier Phasen auf.

  1. Begeisterung wecken

Wie wir gerade festgestellt haben, lernt es sich nicht gut, wenn man eigentlich gar keine Lust hat. Wer mal mit Teenagern Kontakt hatte weiß, dass die quasi nie auf irgendetwas Lust haben und man sich bei ihnen besonders anstrengen muss, um sie zu irgendwas zu motivieren. Meistens helfen da materielle Anreize. Bei kleineren Kindern ist das zum Glück etwas leichter. 

  1. Konzentriert wahrnehmen

Ihr kennt es, wenn das Handy ständig brummt oder das E-Mail-Symbol andauernd aufploppt, ist es unmöglich, fokussiert zu arbeiten. Um Kindern eine konzentrierte Wahrnehmung zu ermöglichen, müsst ihr sie nach der Neugier-Phase in eine ruhigere fokussierte Situation leiten. Dafür ist es auch wichtig, dass ihr selbst nicht abgelenkt seid. Bereitet also nicht schon mal das Picknick vor, wenn ihr euren Kindern gerade eine Aufgabe gestellt habt. Seid ansprechbar, falls das Kind Fragen hat, lasst es aber möglichst selbständig arbeiten bzw. entdecken.

  1. Unmittelbar erfahren

Hier sind wir im Bereich des intuitiven Lernens. In einer möglichst ruhigen Ausgangssituation kann das Kind konzentriert eigene Erkenntnisse gewinnen. Wenn es zum Beispiel eine Ameise beobachtet, die ein anderes Insekt trägt, lernt das Kind, dass Ameisen sehr stark sind, ohne dass es ihm jemand gesagt hat. Das Kind hat diese neue Erkenntnis also unmittelbar aus der Naturbeobachtung erfahren.

  1. Erfahrungen mit anderen teilen

Um die neuen Erfahrungen zu verfestigen und in den Alltag zu übertragen, ist es wichtig, diese mit anderen zu teilen. Die Kinder können ihre Erkenntnisse abgleichen und um die der anderen erweitern. Darüber hinaus schafft es Verbundenheit und Vertrauen. Schöne Erlebnisse, die wir mit Freunden und Familie erleben, bleiben fest in unserem Gedächtnis und werden emotional auch immer mit dem Ort verknüpft sein, an dem sie passiert sind. Wenn ihr als Familie also einen fantastischen Kindergeburtstag im Wald verbringt, wird das immer eine großartige Erinnerung für euer Kind sein und die Wahrscheinlichkeit, dass es diesen Wald bewahren will, steigt außerdem.

Von der Theorie in die Praxis

Ein Waldabenteuer zum Nachmachen

Es ist ein schöner Frühlingstag, die Sonne lacht, es ist Pulli-Wetter und ihr macht euch auf in euer Lieblings-Waldstück. 

Was nehmt ihr mit?

Antibrumm und Sonnenschutz

Sitzkissen oder Decke

Snacks und Getränke

evtl. Fernglas, Becherlupe, Bestimmungsbuch, Naturführer, Spielmaterial

Begeisterung wecken

Egal ob ihr nur mit einem oder mit mehreren Kindern unterwegs seid, für den Einstieg eignet sich oft ein Spiel ganz gut. Ein einfach vorzubereitendes Spiel ist “Wer bin ich?”. Wahrscheinlich kennt ihr das Spiel. Man bekommt einen Zettel angeklebt, auf dem ein Name steht und durch Ja-Nein-Fragen muss man auf die Lösung kommen. Ich habe hierfür Karten mit Waldtieren, die man einfach mit einer Klammer am Rücken befestigen kann. Alle können sich dann gegenseitig befragen, bis jeder sein Tier erraten hat.

Wenn ihr nur mit einem Kind unterwegs seid, könnt ihr auch zu Beginn eine wichtige Aufgabe stellen. Nehmt z.B. einen Eierkarton und schreibt über jede Einkerbung, was da im Laufe des Tages hinein gesammelt werden soll. Z.B. etwas Schweres, etwas Flauschiges, etwas Rotes, etwas Spitzes, etwas Rundes usw. Eine solche Aufgabe sorgt dafür, dass das Kind nicht nur durch den Wald geht, sondern seine Umgebung aktiv wahrnimmt. Eine Vorlage könnt ihr euch hier als PDF herunterladen.

Für einen Kindergeburtstag empfehle ich euch eine Schatzsuche mit schöner Geschichte drumherum und vielen Aufgaben und Spielen. Hier könntet ihr beispielsweise mit einer Tierpantomime starten. Jedes Kind zieht einen Zettel mit einem Waldtier bzw. Waldwesen und die anderen erraten es. Erst wenn genug erraten wurde, gibt es den nächsten Hinweis für den Schatz. 

Konzentriert wahrnehmen

Eines der einfachsten Spiele für diese Kategorie ist das Geräuschespiel. Dabei fordert man die Kinder dazu auf, sich einen Platz in der Nähe zu suchen und es sich dort gemütlich zu machen. Dann lässt man sie die Augen schließen und auf die Geräusche der Umgebung achten. Die Aufgabe kann dann sein “Kannst du fünf Geräusche hören?”. Je jünger die Kinder sind, desto kürzer sollte diese Übung sein. Größere Kinder könnt ihr im Anschluss auch noch fragen, welche Geräusche sie gehört haben oder wie viele sie zählen konnten. Dies wäre auch ein guter Zeitpunkt, Becherlupen oder normale Lupen rauszuholen und die Umgebung zu erkunden. Lasst die Kinder in das magische Reich der Winzlinge eintauchen. Super, wenn ihr auch noch ein Bestimmungsbuch dabei habt, um Flechten, Moose und Krabbler zu identifizieren.

Wenn ihr eine Schatzsuche macht, könnt ihr an diesem Punkt ein besonderes Versteckspiel spielen. Nehmt Gegenstände (10-20 je nach Gruppengröße) mit, die für gewöhnlich nicht in den Wald gehören und verteilt diese in einem festgelegten Areal oder auf einem Wegabschnitt, bevor die Kinder kommen. Passt den Schwierigkeitsgrad an das Alter der Kinder an. Manche der Gegenstände sollen leicht zu finden sein, andere können kniffliger sein. Sagt den Kindern wie viele Gegenstände sie finden müssen, um den nächsten Hinweis zu bekommen. 

Unmittelbar erfahren

Hier sind wir an dem Punkt, an dem Kinder so weit in die Umgebung eintauchen, dass sie sich kurz selbst vergessen. Etwas mystischer könnte man sagen, sie werden eins mit der Natur. Eine Übung, die ich erst kürzlich selber kennengelernt habe, ist der “Fuchsgang”. Dabei versucht man sich wie ein Fuchs an seine Beute an zu schleichen. Man setzt dabei den Fuß mit dem Hacken auf und senkt ihn langsam über die Außenkante zum großen Zeh. Gebt eine bestimmte Strecke vor, auf dem die Kinder das Anschleichen ausprobieren können und macht vielleicht auch selber mit. Es ist eine sehr achtsame Methode durch den Wald zu schreiten. 

Wenn ihr diese Situation in eine Schatzsuche einbauen wollt, könnt ihr ein Seil durch den Wald spannen und die Gruppe dieses Stück mit verbundenen Augen gehen lassen. Eine schöne Übung in Paaren ist es, einen “Baumfreund “zu finden. Dabei werden einem Kind die Augen verbunden, es wird einige Male um sich selbst gedreht und dann von seinem*r Partner*in zu einem Baum geführt. Das Kind mit den verbundenen Augen tastet den Baum ab, erforscht ihn gründlich und wird zum Ausgangspunkt zurückgeführt. Dort wird die Augenbinde abgenommen und nun soll das Kind seinen Baumfreund sehend wiederfinden. Ihr merkt schon, hier passt alles, was Konzentration und Sinne fordert und zum Eintauchen einlädt.

Erfahrungen mit anderen teilen

Mit Erwachsenen würde man an dieser Stelle eine Reflexionsrunde starten oder jedem die Aufgabe geben, die eigenen Gedanken in einem Brief oder Gedicht festzuhalten und/oder mit anderen zu teilen. Auch Kinder kann man befragen, was sie gelernt haben, was besonders toll oder besonders schwierig war und ob es ihnen Spaß gemacht hat. Zum Abschluss eines Waldausflugs mit Kindern eignen sich aber auch kreative Aufgaben gut. Mit einer Gruppe kann man ein Waldmandala gestalten oder kleine Waldhütten bauen. Wenn ihr etwas Ton dabei habt, könnt ihr damit und mit Naturmaterialien auch lustige Baumgesichter gestalten. Wenn ihr am Anfang die Eierkartons ausgegeben habt, könnt ihr jetzt natürlich die Fundstücke zusammen begutachten und auswerten. Und dann macht ein schönes Picknick, esst einen leckeren Kuchen und genießt die Draußenzeit.

Quelle:

Joseph Cornell – Naturerfahrungsspiele für Kinder und Jugendliche, 2020 Verlag an der Ruhr

Pin it!

geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen...
Print this page
Print
Share on Facebook
Facebook
Pin on Pinterest
Pinterest
Email this to someone
email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.