Alte Sorten

Saatgut gewinnen, tauschen, sammeln

Wenn ihr schon länger gärtnert, hütet ihr euer Saatgut wahrscheinlich wie einen Schatz und achtet darauf, dass er regelmäßig erweitert wird. Das geht, indem man neues Saatgut kauft, tauscht oder selber sammelt. Warum sich einige von euch vielleicht schon mal strafbar gemacht haben, wie man eigenes Saatgut gewinnt und worauf man beim Kauf achten sollte, wollen wir heute mal genauer unter die Lupe nehmen.

Warum überhaupt alte Sorten?

Wenn man von alten Sorten spricht, meint man meist samenfeste Sorten, die an die regionalen Gegebenheiten angepasst sind. 

Ein ganz klares Argument für den Anbau alter Sorten in eurem Garten ist der Erhalt der Vielfalt. Da sich viele Sorten nicht (mehr) für den konventionell Gemüseanbau lohnen, drohen einige sogar ganz zu verschwinden. Genetische Vielfalt ist aber wichtig für unsere Umwelt und sollte deswegen unbedingt erhalten werden. In der monokulturellen Landwirtschaft ist Vielfalt eher hinderlich, denn Pestizide, Herbizide und Erntemaschinen sind so entwickelt, dass sie perfekt auf die gezüchtete Sorte passen. Im Kleingarten benutzen wir das alles nicht und deswegen können wir mit verschiedenen Sorten herumprobieren. Das ist auch schon das zweite Argument. Es macht Spaß neue Sorten auszuprobieren und verschiedene Geschmacksnuancen kennenzulernen. Wer immer nur Supermarkttomaten isst und dann plötzlich in ein sibirisches Birnchen oder eine Ochsenherztomate beißt, wird sich wundern. Auch auf dem Teller macht es einiges her, wenn neben blauen Kartoffeln, rote Bohnen und gelbe Tomaten liegen. 

Sogar in puncto Klimawandel können uns alte Sorten helfen. Es gibt Sorten, die besonders gut an bestimmte Bedingungen angepasst sind, mit deren Hilfe man dann z.B. trockenheitstolerantere Züchtungen hervorbringen kann. 

Da Saatgut nur eine begrenzte Haltbarkeit hat, kann es nur erhalten werden, wenn es regelmäßig angebaut wird, um neues Saatgut zu gewinnen. Das ist eine Mammutaufgabe, die nur mit Hilfe von Kleingärtner*innen bewältigt werden kann. Wenn ihr nicht nur für euch, sondern auch für die Wissenschaft Saatgut retten wollt, informiert euch im Internet. Es gibt verschiedene Vereine, auch regional, mit denen ihr euch vernetzen könnt.

Zu guter Letzt spart der Einsatz von alten Sorten bares Geld. Da diese Pflanzen samenfest sind, können sie im Prinzip unendlich vermehrt werden und ihr müsst nicht jedes Jahr neues Saatgut kaufen.

Deutsche Gesetzgebung at its best

In Deutschland darf nur Saatgut in den Verkehr gebracht werden, das in der EU zugelassen ist. Kurz gesagt, ein Saatguttausch ist in Deutschland eigentlich illegal. Really?! Wenn man das Ganze “Samentausch” nennt, ist es, zumindest im privaten Rahmen, möglich. Wobei theoretisch selbst das ausdrücklich als “nicht gewerblich” gekennzeichnet werden sollte. Meiner oberflächlichen Recherche nach, wurde aber noch niemand für’s Tauschen oder Verschenken von Saatgut verhaftet.

Vielleicht habt ihr auch schon mal bei einem kleinere Betrieb Saatgut bestellt und da stand auf den Tomaten “Samen von Zierpflanzen” drauf. Da wundert man sich natürlich erstmal und fragt sich, warum man eine Ziertomate brauchen sollte, aber das ist nur ein Kniff, um die verrückte Gesetzeslage zu umschiffen. Wer sich damit genauer befassen möchte, kann sich das Saatgutverkehrsgesetz anschauen und danach weinen. Ursprünglich sollten Verbraucher*innen vor minderwertigem Saatgut geschützt werden, aber inzwischen dient dieses Gesetz vorrangig großen Herstellern. Dabei setzen sich oft sogenannte F1-Hybride durch, die so gezüchtet sind, dass sie Resistenzen gegen bestimmte Krankheiten oder Schädlinge haben. Das klingt ja erstmal gut, aber diese Samen können nicht vermehrt werden, weil in der nächsten Tochtergeneration wieder vollkommen andere Sorten dabei herauskommen. Der Vorteil für die Händler liegt auf der Hand, wer jedes Jahr seine geliebte Harzfeuer Tomate ernten will, muss immer wieder neues Saatgut kaufen. Ich will mich jetzt auch nicht ewig darüber aufregen, ihr sollt nur wissen, dass ihr von “Samen für Zierpflanzen” reden sollt, wenn ihr tauscht und eben nicht von Saatgut. 

Wo bekomme ich denn jetzt alte Sorten her?

Diese große Auswahl gab es mit einem einzigen Samentausch

Ja, wenn das nun verboten ist, wie kriegt man denn die heiße Ware? Es gibt Biosaatgutanbieter, die es eben genau mit dieser “Samen für Zierpflanzen”-Nummer schaffen, ihr Saatgut an die Gärtner*innen zu bringen. Es gibt auch einige wenige “Alte Sorten” die man im Bau- und Gartenmarkt kaufen kann, da diese die EU-Zulassung haben. Generell solltet ihr darauf achten, dass es sich nicht um Hybride handelt. Hybridsamen müssen auf der Samenpackung gekennzeichnet sein. Wenn also “F1-Hybrid” auf der Verpackung steht, eignet sich dieses Saatgut nicht dazu, es selber weiter zu vermehren. Viele Vereine, die sich dem Erhalt alter Sorten verschrieben haben, organisieren Tauschbörsen oder sogar ganze Märkte. Eure erste Adresse ist natürlich eure Familie oder euer Freundeskreis. Habt ihr Gärtner*innen in eurem Umfeld, dann sind diese sicher glücklich, ihre Schätze mit euch zu teilen. Auch ein Spaziergang durch die Gartenanlage und ein paar nette Zaungespräche können dazu führen, dass man mit einer handvoll Saatgut nach Hause geht. Wenn es in eurer Nähe keine solchen Möglichkeiten gibt, ist das Internet euer Freund. Auf Instagram finden sich regelmäßig Menschen zum Tauschen zusammen, auch bei Facebook gibt’s entsprechende Gruppen und in Gartenforen wird man auch fündig. Ihr könnt es natürlich auch selber in die Hand nehmen und einen Tausch organisieren oder einen Tauschzirkel gründen. Wenn ihr Saatgut tauscht, denkt daran, die Tütchen gut zu beschriften. Unbedingt darauf stehen, müssen der vollständige Sortenname und das Erntejahr. Dazu könnt ihr noch Anzuchttipps, Wuchshöhe und Anbauhinweise angeben. 

Eigenes Saatgut gewinnen

Damit ihr für den nächsten Samentausch bestens ausgerüstet seid, solltet ihr von euren angebauten Sorten Samen gewinnen. Das ist je nach Pflanze unterschiedlich schwierig. Am besten startet ihr mit Bohnen, denn diese verkreuzen sich eher selten und die Samenernte ist denkbar einfach. Lasst beim Ernten einfach ein paar Schoten hängen und wartet bis diese so trocken sind, dass sie beim Schütteln rascheln. Dann könnt ihr die Bohnen aus den Schoten pulen und kühl und trocken aufbewahren. Bei Erbsen funktioniert das genauso. Notiert euch unbedingt Erntejahr und Sortenname bei allen Samen, die ihr erntet. 

Auch Tomaten könnt ihr recht einfach vermehren, indem ihr einfach die Kerne aus einer sehr reifen Tomate auf ein Küchenpapier gebt und dieses dann vollständig trocknen lasst. Wenn man die Samen ohne den “Glibber” trocknen möchte, kann man sie in ein kleines Glas geben und mit der doppelten Menge Wasser auffüllen. Das Glas mit den Samen lässt man 1-3 Tage stehen und gießt die Samen anschließend durch ein sehr feines Sieb und lässt sie auf einem Tuch trocknen. Tomaten, vor allem Fleischtomaten können sich mit anderen Sorten verkreuzen. Verhindern kann man das einerseits durch Abstand zu anderen Tomatensorten oder durch aktive Verhütung. Wenn ihr es mit der Verhütung probieren wollt, müsst ihr ein paar Blüten der ausgewählte Pflanze mit feinen Mesh-Beuteln schützen, damit sie nicht von Insekten fremdbestäubt werden. Richtig wichtig ist Verhütung bei Zucchini und Kürbis, da beide sehr anfällig für Verkreuzungen sind. Bei Kürbissen ist das meistens nicht ganz so schlimm, weil sie in der nächsten Generation höchstens ungenießbar werden. Bei Zucchini ist es gefährlicher, denn die können giftig werden. Wer trotzdem Saatgut gewinnen möchte, sollte die weibliche Blüte bevor sie sich öffnet mit Kreppband verschließen. Sobald eine männliche Blüte ausgebildet ist, öffnet ihr die weibliche und bestäubt sie mit der männlichen Blüte. Anschließend verschließt ihr die weibliche Blüte wieder und lasst die Frucht vollständig ausreifen. Sollte eure Zucchini jemals bitter schmecken, werft sie weg. Zucchini können auch unter Stress wie z.B. Trockenheit Giftstoffe bilden, weshalb ihr sie immer probieren solltet, bevor ihr damit kocht. 

Es gibt auch einige Pflanzen, die erst im zweiten Jahr Samen bilden. Wenn ihr zum Beispiel von Mangold, Karotte oder roter Beete Samen nehmen wollt, müsst ihr den Platz im Beet für zwei Jahre reservieren. Einige zweijährige Pflanzen sind allerdings nicht winterfest, weshalb sie im kühlen Keller oder im Erdloch überwintert werden müssen. 

Die meisten Samen kann man mit der Hand einsammeln und wenn man sie nicht gewerblich weitergibt, benötigt man auch keine besondere Ausrüstung. Wenn ihr allerdings sehr kleines Saatgut gewinnen wollt, könnt ihr es auch dreschen. Gebt dafür die Samenstände in einen alten Kissenbezug und haut drauf! Die Reste der Samenhülle wie z.B. kleine papierähnliche Häutchen könnt ihr durchs Worfeln loswerden. Das Wort habe ich gerade erst kennengelernt, aber gemacht habe ich es schon öfter. Das Saatgut wird in einen flachen Korb gegeben und wiederholt in die Luft geworfen. Die leichten Reste an den Samen werden vom Wind davongetragen und die schwereren Samen fallen zurück in den Korb. Zumindest in der Theorie. Ich hab durch mein Ungeschick und eine starke Windböe so schon einmal die Hälfte meines Brokkoli-Saatguts verloren. 

Mohn hat besonders schöne Samenkapseln

Es ist unglaublich spannend, die eigenen Pflanzen durch so viele verschiedene Lebensphasen zu begleiten. Die Saatguternte ist quasi die letzte Lebensphase für die Elterngeneration und die erste für die nächste Pflanzengeneration. 

Haltbarkeit und Lagerung von Saatgut

Unsere Schatzkiste

Samen solltet ihr erst lagern, wenn sie gut durchgetrocknet sind. Lasst sie am besten einfach an der Luft trocknen und legt sie nicht auf die Heizung oder den Ofen. Ihr könnt eure Samen dann in alte saubere Einmachgläser oder Papiertüten geben. Vergesst bloß nicht die Beschriftung, denn es gibt auch Samen, die sich zum verwechseln ähnlich sehen. Ich kann zum Beispiel meine Liebstöckelsamen nicht vom Fenchel unterscheiden. Die eingetüteten Samen sollten dann kühl, dunkel und trocken aufbewahrt werden. Ideal wären 5-10°C, aber auch bei höheren Temperaturen lassen sich Samen lagern, sie sind dann nur weniger lange haltbar bzw. keimfähig. Saatgut, das bis zwischen 5 und 10 Jahren keimfähig bleibt, gewinnt ihr von Tomaten, Zucchini, Gurke, Kürbis, Mohn, Fenchel, Lauch und vielen anderen Pflanzen. Weniger lange haltbar sind oft Samen von Salat, Kräutern und einige Blumen. Diese müssen zum Teil schon nach zwei Jahren wieder neu ausgesät werden, um die Sorte zu erhalten. Wenn ihr genau wissen wollt, wie lange euer Saatgut haltbar ist, schaut in die Tabelle der Arche Noah

Das war heute natürlich mal wieder nur ein kleiner Einblick in ein großes Thema. Wenn ihr Profis in der Samenernte werden wollt, empfiehlt es sich Bücher dazu zu lesen, mit Gärtner*innen zu sprechen oder Videos zum Thema zu schauen. Wer es nicht ganz so ernst nimmt, kann sich über unverhoffte Verkreuzungen freuen und die prachtvollen Blüten von Brokkoli, Möhre und co. bestaunen, die übrigens wahre Insektenmagneten sind. 

Quellen:

Pflanzensamen – Sammeln, trocknen, tauschen; Jeffery, Josie; Dorling Kindersley; München 2013

Altes Gemüse neu entdeckt; Mayer, Joachim; Gräfe und Unze Verlag; München 2018

geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen...
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